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Finnischer Notenbankchef Rehn: EZB kann bei Zinssenkungen vorangehen
Die Europäische Zentralbank (EZB) muss nach Ansicht des finnischen Notenbankers Olli Rehn mit Zinssenkungen nicht auf die US-Notenbank Federal Reserve warten. "Was die Fed macht, wird nicht bestimmen, wann es Zinssenkungen bei der EZB gibt", sagte der Chef der finnischen Zentralbank und Mitglied des EZB-Rats der Nachrichtenagentur AFP. Zugleich betonte er, dass die Euro-Notenbank sich nicht auf einen vorgegebenen Zinspfad festlegen werde.
"Auch wenn wir keine Politik im luftleeren Raum machen, ist die EZB kein 13. Bezirk der Federal Reserve", sagte Rehn. Damit nahm der Vorsitzende der finnischen Zentralbank Bezug auf die zwölf Bundesbezirke der großen EZB-Schwester in den USA, die in der Vergangenheit oftmals die Richtung in geldpolitischen Fragen vorgegeben hatte.
Aktuell deutet vieles daraufhin, dass die EZB in Frankfurt am Main die Zinsen als erste senken könnte. Während der Preisdruck auf der anderen Seite des Atlantiks hoch bleibe und die Fed zwinge, sich zurückzuhalten, sei in der Eurozone "ein Abwärtstrend zu einer niedrigeren Kerninflation und einem etwas moderateren Lohnwachstum" zu beobachten, sagte Rehn AFP. Für Leitzinssenkungen im Juni gebe es also "starke Argumente".
Wie es danach weiter geht, sei indes völlig offen. Von vorgefertigten Plänen wie bei der Fed ist Rehn "kein Fan". "Wir werden von Meeting zu Meeting entscheiden und lassen uns nicht auf einen Pfad festlegen", sagte der Finne. Dieses Vorgehen hatten zuvor bereits weitere EZB-Ratsmitglieder unterstrichen.
Der Chef der Bundesbank, Joachim Nagel, äußerte sich im "Handelsblatt" ähnlich. Eine erste Zinssenkung der EZB im Juni hält er nach Lage der Dinge für "plausibel" - das bedeutet demnach aber nicht, dass damit der weitere Kurs der Zinswende abgesteckt sei und zwingend weitere Zinssenkungen folgten. "Wir sind nicht auf Autopilot", sagte er dem "Handelsblatt" sowie weiteren europäischen Zeitungen.
Zur Entwicklung der Inflation sagte der Bundesbank-Chef, er stelle sich auf ein gewisses Auf und Ab ein. "Es kann durchaus Monate geben, in denen die Inflation ein wenig anzieht, da einige Preise zu Schwankungen neigen – insbesondere die Energiepreise", sagte Nagel. Er erwarte aber "im Großen und Ganzen", dass die Inflation weiter in Richtung des Zwei-Prozent-Ziels der EZB sinke und dieses Ziel 2025 auch erreiche.
Rehn äußerte sich unterdessen im Gespräch mit AFP auch zur Zukunft der europäischen Wirtschaft, Da sei es wichtig, die Energiewende und die Digitalisierung weiter voranzutreiben. Der Inflationsschock von 2022 habe die große Abhängigkeit Europas von russischen fossilen Brennstoffen verdeutlicht. Die USA hingegen waren und sind ein Nettoexporteur von Energie.
"Wir investieren in Europa zu wenig, und das schadet unserer Wettbewerbsfähigkeit", sagte der finnische Notenbanker. Europa brauche daher mehr denn je eine "Kapitalmarktunion", die er lieber in "Finanzierungs- und Investitionsunion" umbenennen würde. Es gehe beispielsweise darum, die Europäische Investitionsbank "effizienter" als Instrument zu nutzen, um öffentliche und private Investitionen zu lenken.
A.Motta--PC