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Institute senken Konjunkturprognose für 2022 drastisch auf 2,7 Prozent ab
Der Ukraine-Krieg und ein ungünstiger Verlauf der Pandemie im Winter trüben die Konjunkturaussichten für Deutschland erheblich ein - die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr daher deutlich gesenkt. Sie gehen in ihrem Frühjahrsgutachten außerdem für 2022 von einer hohen Inflation von im Schnitt 6,1 Prozent aus. Sollte es zu einem Stopp russischer Öl- und Gaslieferungen kommen, droht gar eine "scharfe Rezession".
Die derzeitige Unsicherheit in der Welt sei "Gift für die Konjunktur", sagte Stefan Kooths vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) am Mittwoch bei der Vorstellung der Gemeinschaftsprognose und bezog sich damit sowohl auf die globale als auch die deutsche Konjunktur. Die Lieferketten stünden unter Stress, es gebe Materialengpässe von "historischem Ausmaß", Investitionen würden erschwert und eine immense Flüchtlingsbewegung müsse gestemmt werden.
In diesem Jahr dürfte das deutsche Wachstum daher nur noch 2,7 Prozent statt wie im Herbst prognostiziert 4,8 Prozent betragen. Im kommenden Jahr erwarten die Experten, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 3,1 Prozent wächst. Die hohe Inflation dürfte sich fortsetzen und im Jahresschnitt 6,1 Prozent betragen - das wäre der höchste Wert seit 40 Jahren.
Doch all das ist nur das "Basisszenario". Dabei gehen die Forscher davon aus, dass der Ukraine-Konflikt und das Sanktionssystem zwar weiter andauern, aber weiter russisches Gas und Öl fließt. In einem "Alternativszenario" berechneten die Institute die Entwicklung für den Fall eines Stopps der russischen Erdgas- und Erdöllieferungen ab Mitte April.
Dann dürfte Deutschland 2023 in eine "scharfe Rezession" fallen, die Wirtschaft könnte um 2,2 Prozent sinken und die Inflation auf 7,3 Prozent emporschnellen. Der BIP-Verlust würde sich für 2022 und 2023 auf 220 Milliarden Euro summieren.
Bei einer Rezession käme es wirtschaftspolitisch dann darauf an, "marktfähige Produktionsstrukturen zu stützen, ohne den Strukturwandel aufzuhalten", hieß es. Dieser werde sich für die gasintensiven Industrien auch ohne Boykott beschleunigen, da die Abhängigkeit von russischen Lieferungen rasch überwunden werden solle.
Die Wirtschaftswissenschaftler rieten der Politik, Hilfen zum Abfedern hoher Energiepreise "sehr zielgenau" zu dosieren und auf ärmere Haushalte zu beschränken. Instrumente wie Tankrabatte und das neun-Euro-Ticket für den Nahverkehr "sehen wir sehr skeptisch", sagte Kooths. Denn das ziele auf die breite Stärkung der Kaufkraft ab - daran mangele es aber nicht und das treibe letztlich wieder die Inflation an. Bei dem Geld müsse es den Haushalten überlassen werden, "wofür sie es verwenden".
"Wir haben es mit einem Knappheitsproblem zu tun, und das kann der Staat beim besten Willen nicht aus der Welt schaffen", sagte Kooths. Der Staat könne nicht die "Breite der Gesellschaft entlasten, weil er sich aus der Breite der Gesellschaft finanziert".
Eine "gute Idee" sei es hingegen, Löhne schnell an höhere Inflationsraten anzupassen, sagte Kooths. Bei Unternehmenshilfen rieten die Forscher, nur Geschäftsmodelle zu unterstützen, die auch in der Zukunft bestehen könnten.
Beteiligt an der Frühjahrsprognose sind neben dem IfW das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen (RWI), das Leibniz-Institut in Halle (IWH), das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und das Münchner Ifo-Institut. Ihr Gutachten dient der Bundesregierung als Grundlage für ihre eigene Prognose.
Die Regierung will ihre Frühjahrsprojektion am 27. April veröffentlichen. Ähnlich wie auch die Institute wies Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch darauf hin, dass die konjunkturelle Entwicklung derzeit "von sehr großer Unsicherheit über den weiteren Verlauf des Krieges geprägt" sei.
S.Pimentel--PC