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Einigung im Tarifstreit im öffentlichen Dienst gelungen
Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen können im kommenden Jahr mit deutlich höheren Löhnen rechnen. Die Tarifparteien verständigten sich bei der vierten Tarifrunde am Samstag in Potsdam darauf, eine vorangegangene Schlichtungsempfehlung ohne wesentliche Änderungen anzunehmen. Verdi-Chef Frank Werneke zufolge handelt es sich um die "größte Tarifsteigerung in der Nachkriegsgeschichte im öffentlichen Dienst".
Der Tarifabschluss sieht ab Juni zunächst einen stufenweise ausgezahlten Inflationsausgleich von insgesamt 3000 Euro vor. Ab März kommenden Jahres steigen die Gehälter um einen Sockelbetrag von 200 Euro und dann um 5,5 Prozent - monatlich gibt es jedoch mindestens 340 Euro mehr Gehalt. Azubi- und Praktikantengehälter werden zu diesem Zeitpunkt um 150 Euro erhöht. Die Laufzeit soll rückwirkend ab Januar 24 Monate betragen.
Verdi und Beamtenbund hatten 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro mehr Geld bei einer Laufzeit von zwölf Monaten gefordert. Der Tarifabschluss gilt für 2,5 Millionen Beschäftigte, die nicht Beamte sind. Für die nicht streikberechtigten Beamten werden die Bezüge nicht in Tarifrunden ausgehandelt. In der Regel wird das Tarifergebnis für sie jedoch übernommen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem guten und fairen Tarifabschluss in schweren Zeiten. Mit Blick auf die Haushaltslage sei zugleich ein verantwortbarer Tarifabschluss erreicht worden. Werde der Abschluss auch auf die Beamten übertragen, lägen die Kosten für den Bund bei insgesamt 4,95 Milliarden Euro.
Die kommunalen Arbeitgeber seien bis an die finanzielle Belastungsgrenze gegangen, sagte die Präsidentin der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge. Die lange Tariflaufzeit von 24 Monaten bedeute Planungssicherheit für die kommunalen Haushalte. Sie bezifferte die zusätzlichen Kosten für Städte und Gemeinden auf 17 Milliarden Euro während der gesamten Laufzeit und sprach daher vom "teuersten Tarifabschluss aller Zeiten".
Das Ergebnis sei ein Kompromiss mit Stärken, "aber auch mit Dingen, die uns schwergefallen sind", sagte Verdi-Chef Werneke. Für untere Entgeltgruppen bringe der Tarifabschluss zum Ende der Laufzeit eine Steigerung von 16 Prozent, für andere "wichtige Mitgliedergruppen von über elf Prozent".
Die Gewerkschaften hätten sich zwar eine kürzere Tariflaufzeit und eine stärker ausgeprägte soziale Komponente zugunsten unterer Lohngruppen gewünscht, sagte Werneke weiter. Die Tarifkommission habe den Gewerkschaftsmitgliedern nun aber empfohlen, dem Tarifabschluss in einer Mitgliederbefragung zuzustimmen. Den Kompromiss einzugehen habe aber zugleich bedeutet, "an die Schmerzgrenze" zu gehen.
Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen könnten mit diesem Ergebnis leben, sagte Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach. Ab März kommenden Jahres werde es Einkommenserhöhungen von monatlich mindestens 340 Euro geben. Zuvor helfe die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie "erstmal über den Berg". Der Kompromiss sei zudem "ohne die vielen Warnstreiks und Protestaktionen der letzten Monate überhaupt nicht vorstellbar" gewesen.
Die Linke kritisierte die Einigung als unzureichend. "Diese Tarifeinigung bedeutet trotz der Inflationsausgleichszahlung für viele Beschäftigte angesichts der Preisexplosion bei Lebensmitteln, steigender Mieten und hoher Energiepreise einen Reallohnverlust", sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch den Zeitungen des RND. "Das überschreitet Schmerzgrenzen."
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sprach von einer "Notlösung, die kurzfristig zwar den Arbeitskampf beendet, jedoch die grundlegenden Probleme nicht löst". Nach einer Inflationsrate von acht Prozent 2022, sechs Prozent 2023 und wohl rund drei Prozent 2024 "werden die Löhne im öffentlichen Dienst am Ende der Laufzeit zirka sechs Prozent weniger Kaufkraft haben", sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher der "Augsburger Allgemeinen".
A.Aguiar--PC