Portugal Colonial - Volksabstimmung über umstrittene neue Verfassung in Tunesien begonnen

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Volksabstimmung über umstrittene neue Verfassung in Tunesien begonnen
Volksabstimmung über umstrittene neue Verfassung in Tunesien begonnen / Foto: Wassim JDIDI - AFP

Volksabstimmung über umstrittene neue Verfassung in Tunesien begonnen

In Tunesien haben die Bürger am Montag über eine umstrittene neue Verfassung abgestimmt. Mehr als neun Millionen Bürger waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Opposition hatte an die Bürger appelliert, der Abstimmung fernzubleiben. Sie befürchtet eine Rückkehr des nordafrikanischen Landes zu einem autoritären System. Die neue Verfassung ist ein von Präsident Kais Saïed vorangetriebenes Projekt.

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Die Wahllokale schließen am Montagabend um 23.00 Uhr MESZ. Ergebnisse werden für Dienstagabend oder Mittwochmorgen erwartet.

Saïed selbst gab am Montagmorgen seine Stimme in Begleitung seiner Frau im bürgerlichen Viertel Cité Ennasr in einer Vorstadt von Tunis ab. Er rief die Bürger dabei zur Teilnahme an dem Referendum auf. Sie sollten so eine "neue Republik" schaffen, die "auf echter Freiheit, Gerechtigkeit und nationaler Würde" gründe.

Nach der geplanten Verfassung kann der Präsident den Regierungschef und die Minister künftig ohne parlamentarische Beteiligung ernennen. Er könnte im Parlament Gesetzestexte einbringen, die Vorrang vor anderen Entwürfen hätten. Die Stellung des Parlaments würde deutlich geschwächt. Eine Absetzung des Präsidenten ist in der neuen Verfassung nicht vorgesehen.

Saïed war Ende 2019 gewählt worden. Vor einem Jahr entmachtete er unter Berufung auf Notstandsgesetze die Regierung und das Parlament. Der Jurist Sadok Belaïd, den der Präsident mit der Erarbeitung der Verfassung betraut hatte, distanzierte sich von der Endfassung und erklärte, sie könne "den Weg zu einem diktatorischen Regime freimachen".

Kritiker wie Belaïd befürchten, die geplante Reform könnte das Land zurück zu einem autoritären Regierungssystem wie unter dem langjährigen Staatschef Zine el Abidine Ben Ali führen. Dieser war im Jahr 2011 infolge der Massenproteste des sogenannten Arabischen Frühlings entmachtet worden.

Tunesien hat mit einer schweren Wirtschaftskrise zu kämpfen. Die Wirtschaftsleistung wächst nur schleppend, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 40 Prozent, die Inflation ist hoch. Vier Millionen Menschen im Land sind von Armut betroffen.

Die Staatsverschuldung Tunesiens entspricht über 100 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Tunesien verhandelt seit Monaten über einen neuen Kredit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Vor dem Referendum hatte der IWF "zufriedenstellende Fortschritte" in Richtung einer möglichen Einigung vermeldet. Im Gegenzug könnte der IWF jedoch Einschnitte verlangen, die Proteste im Land anheizen könnten.

A.Silveira--PC