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Chef von syrischer Übergangsregierung verspricht Respekt für alle Religionsgruppen
Die von der islamistischen HTS-Miliz geführte Übergangsregierung in Syrien will laut ihrem Chef Mohammed al-Baschir die Rechte aller religiösen Gruppen garantieren. "Gerade weil wir islamisch sind, werden wir die Rechte aller Menschen und aller Glaubensrichtungen in Syrien garantieren", sagte al-Baschir am Mittwoch in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera". Zugleich rief er die Millionen geflüchteter Syrer im Ausland dazu auf, in ihre Heimat zurückzukehren.
Die neuen Machthaber seien bereit, mit jedem zusammenzuarbeiten, solange dieser auf Distanz zum gestürzten Machthaber Baschar al-Assad gehe, betonte al-Baschir, der am Vortag zum Chef einer Übergangsregierung ernannt worden war. Auf die Frage, ob die neue Verfassung Syriens islamischer Natur sein werde, antwortete er: "Wir werden alle diese Details während des Verfassungsprozesses klären." In Syrien leben zahlreiche ethnische und religiöse Minderheiten, darunter Kurden, Alawiten, Drusen und Christen.
Kämpfer unter der Führung der islamistischen Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) hatten nach einer Großoffensive am Sonntag Damaskus erobert und Assad gestürzt. Damit bereiteten sie der jahrzehntelangen Herrschaft der Assad-Familie ein Ende, die 1971 mit der Machtübernahme von Baschar al-Assads Vater Hafis al-Assad begonnen hatte. Der Staatschef floh außer Landes nach Russland.
Am Mittwoch wurde das Grab von Hafis al-Assad in dessen Heimatstadt Kardaha in Brand gesteckt, wie Aufnahmen der Nachrichtenagentur AFP zeigten. Demnach wurde der Sarg angezündet, auch das Mausoleum wurde nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Brand gesteckt.
Mit der Machtübernahme durch die Islamisten stürzt Syrien nun ins Ungewisse: Die HTS ist aus der Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida hervorgegangen, hat nach eigenen Angaben aber seit 2016 keine Verbindungen mehr zu Al-Kaida. Ihr Anführer Mohammed al-Dscholani präsentiert sich moderat. Viele westliche Staaten, darunter die USA, stufen die Miliz dennoch als Terrororganisation ein.
Im Interview mit "Corriere della Sera" rief al-Baschir die wegen des Bürgerkriegs ins Ausland geflohenen Millionen Syrer zur Rückkehr in ihr Heimatland auf. "Syrien ist jetzt ein freies Land, das seinen Stolz und seine Würde verdient hat. Kommen Sie zurück", betonte er. Das Land müsse wiederaufgebaut werden, "und wir brauchen die Hilfe aller".
Seit dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 waren sechs Millionen Syrer ins Ausland geflohen - das ist ein Viertel der Bevölkerung. Nach dem Sturz Assads haben Deutschland und mehrere andere europäische Länder ihre Asyl-Entscheidungen für Geflüchtete aus Syrien vorerst auf Eis gelegt. Am Mittwoch ging auch Griechenland diesen Schritt.
Indes kehrte in der syrischen Hauptstadt Damaskus langsam der Alltag wieder ein. Die 64-jährige Ärztin Rania Diab äußerte auf dem Weg zu einem Treffen mit Freunden im Café die leise Hoffnung, "dass wir in unserem Land normal leben können, dass unsere Freiheiten gewahrt bleiben".
Der Golfstaat Katar erklärte, schon bald wieder eine Botschaft in Damaskus eröffnen zu wollen und die Beziehung zwischen beiden Ländern zu stärken. Unter der Assad-Regierung waren die Beziehungen abgebrochen worden.
Deutschland will sich nach den Worten von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) für einen friedlichen Machtwechsel in Syrien einsetzen. Israel und die Türkei forderte die Außenministerin auf, mit ihrem militärischen Vorgehen in Syrien den Prozess nicht zu gefährden. Die Lage in Syrien sei "alles andere als stabil", betonte Baerbock. Eine zivile Regierung könne nur gelingen, "wenn alle Minderheiten und politischen Gruppen mit am Tisch sitzen". Staatsminister Tobias Lindner wurde zum Sonderkoordinator für Syrien ernannt.
Auch Assads langjähriger Verbündeter Russland rief zu einer schnellen Stabilisierung der Situation in dem Bürgerkriegsland auf. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte weiter, im Hinblick auf die zwei russischen Militärstützpunkte in Syrien sei der Kreml "im Kontakt" mit den neuen Machthabern.
Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei versicherte, dass der Sturz des Verbündeten Assad sein Land nicht schwäche. Der Iran werde "noch mächtiger" werden, betonte er. Weiter warf Chamenei den USA und dem iranischen Erzfeind Israel vor, ein Komplott gegen den syrischen Machthaber geschmiedet zu haben. Offenbar habe auch das syrische Nachbarland Türkei dabei eine "Rolle" gespielt.
Ankara unterstützte jahrelang die überwiegend islamistischen Gegner von Assad und verfügt über Streitkräfte im Norden des Landes. Am Mittwoch vereinbarten von Kurden angeführte Kräfte im Nordosten Syriens nach eigenen Angaben einen Waffenstillstand mit pro-türkischen Kämpfern. "Wir haben durch US-Vermittlung eine Vereinbarung über eine Waffenruhe in Manbidsch erreicht", erklärte der Anführer der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF), Maslum Abdi.
Die pro-türkischen Kräfte hatten vor einer Woche nahe Manbidsch die von kurdischen Kräften kontrollierte Stadt Tal Rifaat sowie einige umliegende Dörfer unter ihre Kontrolle gebracht.
US-Außenminister Antony Blinken wird nach Angaben aus Ankara am Freitag in die Türkei reisen, um die Situation in Syrien zu diskutieren. Der Ablauf des Besuchs ist demnach noch in der Planung.
J.Oliveira--PC