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Netanjahu ruft Libanesen zu Befreiung von Hisbollah auf - und warnt vor Zerstörung
Bei einer Videoansprache an die Menschen im Libanon hat der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu die Bevölkerung zur Befreiung von der Hisbollah aufgerufen - und vor Zerstörung wie im Gazastreifen gewarnt. "Sie haben die Möglichkeit, den Libanon zu retten, bevor er in den Abgrund eines langen Krieges stürzt, der zu Zerstörung und Leid führen wird, wie wir es im Gazastreifen sehen", sagte Netanjahu am Dienstag. Die pro-iranische Hisbollah-Miliz drohte ihrerseits Israel mit verstärkten Attacken. Unterdessen erklärte das syrische Verteidigungsministerium, dass bei einem israelischen Luftangriff in Damaskus sieben Menschen getötet worden seien.
"Ich sage Ihnen, dem libanesischen Volk: Befreien Sie Ihr Land von der Hisbollah, damit dieser Krieg enden kann", fuhr Netanjahu fort. Wenn die Menschen im Libanon das nicht täten, würde die Hisbollah weiterhin versuchen, "Israel aus dicht besiedelten Gebieten heraus auf Ihre Kosten zu bekämpfen". Der Miliz sei es egal, ob der Libanon in einen größeren Krieg hineingezogen werde.
Die Hisbollah drohte ihrerseits mit verstärkten Angriffen auf Israel, sollte das Land weiter den Libanon angreifen. "Die zunehmenden Angriffe des israelischen Feindes" bedeuteten, dass unter anderem die israelische Stadt Haifa "genauso häufig von unseren Raketen angegriffen werden wie Kirjat Schmona, Metula" und andere Orte, erklärte die Miliz am Dienstag. Kirjat Schmona und Metula liegen im Norden Israels an der Grenze zum Libanon. Aus dem Grenzgebiet wurden seit Oktober 2023 zehntausende Menschen wegen des regelmäßigen Beschusses durch die Hisbollah evakuiert.
Am Dienstag wurden nach israelischen Armeeangaben etwa 85 Geschosse aus dem Libanon auf den Norden Israels abgefeuert, unter anderem auf die Stadt Haifa.
Am Samstag war aus Hisbollah-Kreisen verlautet, dass der Kontakt zu dem ranghohen Kommandeur Haschem Safieddin, der als möglicher Nachfolger Nasrallahs gehandelt wurde, verloren gegangen sei. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari bestätigte am Dienstag nicht, dass Safieddin getötet worden sei. Die israelische Armee habe das Hauptquartier in Dahijeh angegriffen "und wir wissen, dass Safieddin da war", sagte Hagari mit Blick auf die südlichen Vororte der libanesischen Hauptstadt Beirut, die als Hisbollah-Hochburg gelten. Die Ergebnisse des Angriffs würden noch untersucht. Die pro-iranische Miliz versuche, die Einzelheiten zu verbergen.
Der israelische Verteidigungsminister Joav Gallant beschrieb die Hisbollah am Dienstag bei einer Besprechung mit dem Nordkommando der israelischen Armee als "eine zerschlagene und gebrochene Organisation ohne nennenswerte Kommando- und Feuerkapazitäten, deren Führung nach der Eliminierung von Hassan Nasrallah zerfallen ist". Es gebe bei der Hisbollah niemanden mehr, "der Entscheidungen trifft".
Hisbollah-Vizechef Naim Kassem, der die Miliz nach der Tötung Nasrallahs übergangsweise anführt, sagte indes in einer Fernsehansprache, die israelischen Angriffe seien zwar "schmerzhaft" gewesen, die Hisbollah sei jedoch weiterhin "perfekt organisiert" und ihre Fähigkeiten blieben "gut".
Gallant verschob indes nach Pentagon-Angaben seinen geplanten Besuch in der US-Hauptstadt Washington. Israelische Medien berichteten in Berufung auf mit den Vorgängen vertraute Kreise, dass der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu Gallant angewiesen habe, erst dann in die USA zu reisen, wenn Netanjahu mit US-Präsident Joe Biden gesprochen habe und das israelische Kabinett der Antwort auf die iranischen Raketenangriffe der vergangenen Woche zugestimmt habe.
Die israelische Armee hatte ihren Einsatz gegen die Hisbollah-Miliz zuvor ausgeweitet und nimmt eigenen Angaben zufolge nun auch "Terrorziele" und "Infrastruktur" der Hisbollah an der Mittelmeerküste ins Visier. Armeesprecher Hagari gab auch auch an, dass das israelische Militär einen von der Hisbollah gegrabenen Tunnel zerstört habe, der vom Libanon nach Israel führt. Der rund 25 Meter lange, im Südlibanon beginnende Tunnel führe zehn Meter weit in israelisches Gebiet hineinführe.
In der 40 Kilometer südlich von der Hauptstadt Beirut gelegenen Großstadt Sidon an der Mittelmeerküste verzichteten die Fischer infolge von zuvor ergangenen Warnungen der israelischen Armee in der Nacht auf Dienstag darauf, in See zu stechen. "Mit dem Fischfang haben wir unsere Kinder ernährt. Wenn wir nicht aufs Meer hinausfahren, können wir uns nicht mehr selbst ernähren", sagte der Fischer Issam Habusch.
Die Hisbollah hatte einen Tag nach dem Hamas-Großangriff vom 7. Oktober 2023 mit Luftangriffen eine zweite Front gegen Israel eröffnet. Israel verstärkt seit Ende September seine Angriffe gegen Hisbollah-Ziele, dabei wurden Hisbollah-Chef Nasrallah und andere hochrangige Kommandeure der Miliz getötet. Vor rund einer Woche gab Israel zudem den Beginn von "begrenzten und gezielten" Bodeneinsätzen gegen die Hisbollah im Südlibanon bekannt.
In Syrien wurden unterdessen bei einem israelischen Luftangriff in der Hauptstadt Damaskus nach Angaben des syrischen Verteidigungsministeriums mindestens sieben Menschen getötet. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprach nach dem Angriff im Stadtteil Masseh von mindestens neun Todesopfern und erklärte, auch ein vor dem Gebäude abgestelltes Auto sei getroffen worden.
Israel äußert sich nur selten konkret zu seinen Luftangriffen in Syrien, betont aber immer wieder, es werde nicht zulassen, dass der Iran seinen Einfluss bis an die israelische Staatsgrenze ausdehne.
J.Oliveira--PC