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Mariupol befürchtet Sturmangriff vor Russlands Militärparade
Vor der großen Militärparade in Moskau zum Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland haben sich die in Mariupol verschanzten ukrainischen Kämpfer am Sonntag auf einen russischen Sturmangriff eingestellt. Die letzten dort verbliebenen Zivilisten wurden nach Angaben aus Kiew am Samstag aus dem Asow-Stahlwerk in Mariupol herausgeholt. Im Osten der Ukraine verstärkte die russische Armee am Sonntag ihre Angriffe, an der Grenze zu Moldau war die Lage laut ukrainischem Generalstab "gespannt".
Nach einem Luftangriff auf ein Schulgebäude in der ostukrainischen Region Luhansk in der Ostukraine befürchteten die Behörden rund 60 Tote. Bewohner des Dorfs Bilohoriwka hätten am Samstag in dem Gebäude Schutz vor Luftangriffen gesucht, als es von Bomben getroffen und vollständig zerstört worden sei, sagte Regionalgouverneur Serhij Gajdaj.
"Der Feind hört nicht auf mit seinen Offensiven im östlichen Einsatzgebiet, um volle Kontrolle über die Regionen Donezk, Luhansk und Cherson zu bekommen und den Landkorridor zwischen den Gebieten und der besetzten Krim zu erhalten", erklärte der ukrainische Generalstab. In der Region Donezk hätten die russischen Truppen ihren Vormarsch bei Lyman, Popasnjansky, Sewerodonezk und Awdjiwka fortgesetzt.
Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, einen ukrainischen Kommandoposten in der östlichen Region Charkiw sowie die Kommunikationszentrale des Militärflughafens Tscherwonoglinskoje zerstört zu haben. Über der Schlangeninsel seien zwei ukrainische Kampfflugzeuge und ein Hubschrauber abgeschossen worden, in der Nähe von Odessa eine Drohne.
In Mariupol dauerte die Blockade des Stahlwerks laut ukrainischem Generalstab weiter an. In dem Industriekomplex haben sich hunderte Soldaten verschanzt, es ist die letzte Bastion des ukrainischen Militärs in der zerstörten Hafenstadt. Die eingeschlossenen Kämpfer in dem Stahlwerk schlossen aber eine Kapitulation aus. "Aufgeben ist keine Option, weil unsere Leben Russland nicht interessieren", erklärte am Sonntag ein Offizier der Asow-Brigaden.
Sollte das Stahlwerk fallen, hätten die Russen die strategisch wichtige Hafenstadt gänzlich eingenommen, was für Moskau ein wichtiger militärischer Erfolg wäre. Bislang steht mit Cherson lediglich eine bedeutende ukrainische Stadt seit dem Angriffskrieg von Ende Februar völlig unter russischer Kontrolle.
Die ukrainischen Behörden warnen seit Tagen vor einer verstärkten russischen Offensive rund um den 9. Mai. "Der Feind versucht, den Verteidigern von Asow-Stahl den Rest zu geben, sie versuchen das vor dem 9. Mai zu schaffen als Geschenk an Wladimir Putin", sagte Oleksij Arestowytsch, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Auch der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, warnte vor "Raketenangriffen in allen Landesteilen". Für die Städte Odessa und Poltawa wurde eine Ausgangssperre angeordnet.
Russland feiert am 9. Mai den Sieg der Sowjetunion über Nazi-Deutschland. Am Samstag hielt das Militär in Moskau die Generalprobe für die Militärparade zum 77. Jahrestag ab. Am Montag werden tausende Soldaten über den Roten Platz marschieren, gefolgt von Panzern, gepanzerten Fahrzeugen und Raketenwerfern und begleitet von einer Flugshow. Die Parade soll militärische Stärke demonstrieren, während die russische Militäroffensive in der Ukraine deutlich langsamer vorangeht als erwartet.
Kreml-Chef Putin wird eine mit Spannung erwartete Rede halten. Mit Blick auf die Ukraine zeigte er sich bereits am Sonntag siegessicher. "Wie 1945 wird der Sieg unser sein", sagte Putin. "Heute kämpfen unsere Soldaten wie ihre Vorfahren Schulter an Schulter für die Befreiung ihrer Heimat vom Nazidreck."
Selenskyj reagierte auf Putins Anti-Nazi-Rhetorik und sagte in einem in Online-Netzwerken veröffentlichten Schwarz-Weiß-Video: "Das Böse ist zurück, in einer anderen Uniform, aber mit demselben Ziel."
Selenskyj wollte am Sonntagnachmittag an einer Videokonferenz der G7-Staats- und Regierungschefs teilnehmen und über die Lage in seinem Land informieren.
Die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk hatte am Samstagabend bekanntgegeben, dass alle "Frauen, Kinder und ältere Menschen" aus dem Stahlwerk in Mariupol herausgeholt worden seien. Hunderte Bewohner der seit Wochen belagerten Hafenstadt im Südosten der Ukraine hatten in den Tunneln und Bunkern des Stahlwerks Zuflucht gesucht.
Selenskyj sagte, derzeit werde die Evakuierung von Verletzten und medizinischem Personal vorbereitet. Die Regierung arbeite "auch daran, unsere Soldaten herauszuholen".
P.Serra--PC