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Konservativer Ex-Brexit-Unterhändler Barnier zu Frankreichs Premierminister ernannt
Die Parlamentswahl in Frankreich hat das Linksbündnis gewonnen - dennoch hat Präsident Emmanuel Macron nun einen Konservativen zum Premierminister ernannt: Der ehemalige EU-Chefunterhändler für den Brexit, Michel Barnier, soll seine Verhandlungskünste nun dafür einsetzen, die seit zwei Monaten anhaltende Regierungskrise zu beenden. Macron habe den 73-Jährigen beauftragt, eine neue Regierung zu bilden, teilte der Elysée am Donnerstag in Paris mit.
Er habe sich vergewissert, dass Barnier die "Chance auf eine möglichst breite Zustimmung" im Parlament habe, hieß es weiter. Die Ernennung eines Premierministers war bislang daran gescheitert, dass sämtlichen Kandidaten, die im Gespräch gewesen waren, umgehend ein Misstrauensvotum im Parlament gedroht hätte.
Barnier ist vor allem als ehemaliger EU-Chefunterhändler für den Brexit bekannt, was ihm den Ruf als "bester Scheidungsanwalt Europas" einbrachte. Zuvor war er EU-Kommissar für Binnenmarkt und Regionalpolitik. In Frankreich war er ab den 90er Jahren unter anderem Umwelt-, Außen- und Landwirtschaftsminister.
Macron hatte sich mit der Ernennung eines neuen Regierungschef nach den vorgezogenen Parlamentswahlen mehr als sieben Wochen Zeit gelassen. Das Linksbündnis Neue Volksfront hatte die Wahl Anfang Juli gewonnen, aber keine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung bekommen. Im Parlament stehen sich nun drei verfeindete Lager gegenüber, von denen keines mehrheitsfähig ist.
Die ersten Reaktionen auf die Nominierung von Barnier waren verhalten bis ablehnend. Macrons eigene liberale Partei Renaissance erklärte, dass sie nicht grundsätzlich gegen den 73-Jährigen stimmen werde, aber ihm auch "keinen Blankoscheck" ausstellen wolle. Die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN), die als Königsmacherin gilt, erklärte, dass sie zunächst die Regierungserklärung des neuen Premierministers abwarten wolle.
Heftige Kritik kam aus dem linken Lager, das sich seines Wahlsiegs beraubt fühlt. "Das ist der Höhepunkt der Demokratieverweigerung", schrieb der sozialistische Parteichef Olivier Faure im Onlinedienst X. Er verwies darauf, dass Barniers konservative Partei der Republikaner bei der Parlamentswahl nur auf den vierten Platz gekommen war. Der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon erklärte kurzerhand: "Die Wahl wurde gestohlen." Barnier sei darüber hinaus der Kandidat, der dem RN am nächsten stehe.
Der frühere sozialistische Präsident François Hollande prangerte an, dass der rechtspopulistische RN Barnier "eine Art Passierschein" gegeben habe, indem er zunächst auf die Drohung mit einem Misstrauensvotum verzichtete. "Der Präsident wollte offenbar so weit wie möglich nach rechts", sagte Hollande.
Der bisherige Premierminister Gabriel Attal, der mit 35 Jahren der bislang Jüngste auf diesem Posten war, veröffentlichte ein Video mit einer positiven Bilanz seiner knapp achtmonatigen Amtszeit. "Verlassen Sie sich auf mich, dass wir unsere Verbindung weiter vertiefen", kündigte er im Onlinedienst X an. Ihm werden Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt.
Die Amtsübergabe von Attal an Barnier sollte noch am Donnerstag erfolgen. Sie bedeutet auch den Übergang vom bislang jüngsten zum bislang ältesten Regierungschef der fünften Republik.
Offen ist noch, ob damit die schwerste Regierungskrise der vergangenen Jahrzehnte ein Ende findet. Die nächste Etappe besteht in der Ernennung der Regierungsmitglieder, die den schwierigen Mehrheitsverhältnissen in der Nationalversammlung Rechnung tragen soll. Mehrere bisherige politische Schwergewichte dürften ersetzt werden, unter ihnen Wirtschaftsminister Bruno Le Maire und Innenminister Gérald Darmanin.
Die neue Regierung muss bis Anfang Oktober ihren Haushaltsentwurf für 2025 vorlegen. Es wird damit gerechnet, dass die Nationalversammlung in Kürze zu einer Sondersitzung zusammenkommt.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen beglückwünschte Barnier zu seiner Ernennung. "Er trägt die Interessen Frankreichs und Europas im Herzen", schrieb sie im Onlinedienst X.
Auslöser der Regierungskrise waren die Neuwahlen, die Macron überraschend ausgerufen hatte, nachdem die Rechtspopulisten im Juni die Europawahl haushoch gewonnen hatten. Nach dem Wahlsieg des Linksbündnisses hatte dieses die relativ unbekannte Politikerin Lucie Castets als Kandidatin als Premierministerin vorgeschlagen, die von Macron aber abgelehnt wurde.
G.Machado--PC