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Ukraine befürchtet Einkesselung von Donbass-Städten - Menschen sollen Region verlassen
Im Ukraine-Krieg verlagert sich der Fokus zunehmend in Richtung Osten. Mit Blick auf eine offenbar unmittelbar bevorstehende russische Großoffensive im Donbass appellierte der ukrainische Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Gajdaj, am Donnerstag eindringlich an seine Landsleute, den Donbass zu verlassen. "Bitte gehen Sie", sagte Gajdaj. Es gelte, ein "zweites Mariupol" zu verhindern. Forensische Analysen des Bundesnachrichtendienstes (BND) stützen Angaben Kiews zu mutmaßlichen russischen Kriegsverbrechen im Großraum Kiew.
"Diese paar Tage sind vielleicht die letzte Chance", um die Ostukraine zu verlassen, mahnte Gajdaj auf Facebook. Sämtliche Städte in der Region befänden sich unter Beschuss, was die Evakuierungsbemühungen erschwere. Einige Orte seien bereits nicht mehr zugänglich.
Die ukrainische Bahn warf der russischen Armee vor, Evakuierungszüge für Zivilisten in der Ostukraine zu blockieren. Russland habe eine Bahnstrecke in der Nähe des Bahnhofs Barbenkowo angegriffen, erklärte Bahnchef Oleksandr Kamytschin. Diese Strecke sei der "einzige Ausweg per Zug für Städte wie Slawjansk, Kramatorsk und Lyman". In Slawjansk und Kramatorsk seien die Passagiere dreier gestoppter Züge zunächst in einem Bahnhof untergebracht worden.
Die Schilderungen lassen Szenen wie aus der seit Wochen eingekesselten Stadt Mariupol im Süden der Ukraine befürchten. Die Regionalbehörden gehen inzwischen von zehntausenden Toten in der strategisch wichtigen Hafenstadt aus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) forderte am Donnerstag dringend einen humanitären Zugang zu Mariupol.
Russland hatte sich zuletzt aus dem Raum Kiew und der Nordukraine zurückgezogen und angekündigt, sich auf den Osten und Süden des Landes konzentrieren zu wollen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schwor seine Bevölkerung auf harte Kämpfe ein. Russland setze die Neupostierung seiner Truppen fort, "um seine kranken Ziele im Donbass zu verwirklichen", warnte er.
AFP-Reporter berichteten von heftigen Bombardements und Raketenangriffen in Sewerodonezk, der östlichsten Stadt im Donbass unter der Kontrolle der ukrainischen Armee. "Wir können nirgendwohin, die Situation ist seit Tagen so", sagte der 38-jährige Wolodymyr, während in unmittelbarer Nähe ein Haus in Flammen stand.
Die Ukraine wirft Russland vor, gezielt zivile Ziele anzugreifen. Auch die internationale Gemeinschaft sieht zunehmende Belege für russische Gräueltaten in der Ukraine. Der BND fing laut einem Bericht des "Spiegel" Funksprüche russischer Militärs ab, in denen Morde an Zivilisten im Kiewer Vorort Butscha besprochen wurden. In der Kleinstadt waren nach dem Abzug der russischen Truppen die Leichen zahlreicher Menschen in Zivilkleidung entdeckt worden, die Ukraine und westliche Regierungen sprechen von einem "Kriegsverbrechen".
Russland weist die Verantwortung für das Massaker von Butscha zurück. Von den USA veröffentlichte Satellitenbilder zeigen allerdings, dass die Leichen bereits vor dem Abzug der russischen Truppen auf der Straße lagen. Der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe, Martin Griffiths, kündigte am Donnerstag eine Untersuchung der Gräueltaten an.
Als Reaktion auf die Ereignisse von Butscha setzte die UN-Vollversammlung die Mitgliedschaft Russlands im UN-Menschenrechtsrat aus. 93 Mitgliedschaften votierten bei der Abstimmung in New York für die Suspendierung, 24 Staaten, darunter neben Russland auch China und der Iran, stimmten dagegen. 58 Länder enthielten sich.
US-Außenminister Antony Blinken sagte am Donnerstag, es sei zu befürchten, dass im Verlauf des Krieges weitere Gräueltaten russischer Truppen bekannt würden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass "russische Soldaten in diesem Moment weitere Gräueltaten begehen", sagte Blinken nach einem Treffen der Nato-Außenminister mit dem ukrainischen Chefdiplomaten Dmytro Kuleba in Brüssel.
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine wurden bereits tausende Menschen getötet, mehr als elf Millionen Menschen wurden vertrieben. Auch Russland räumte am Donnerstag "bedeutende" Truppenverluste ein. Dies sei eine "große Tragödie für uns", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow dem britischen TV-Sender Sky News. Zahlen nannte er aber nicht. Ende März hatte Russland erklärt, es habe 1351 Soldaten verloren, weitere 3825 seien verwundet worden.
A.Magalhes--PC