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Prozess gegen 59 Beschuldigte zu tödlichem Einsturz von Morandi-Brücke in Genua
Die Bilder von der eingestürzten Morandi-Brücke in Genua gingen um die Welt, 43 Menschen starben bei dem Unglück im August 2018. Nun hat der Prozess gegen 59 mutmaßliche Verantwortliche begonnen, darunter hochrangige Vertreter des Autobahnbetreibers Autostrade per l'Italia (Aspi) und des Bauunternehmens Spea sowie Beamte des Infrastrukturministeriums. Das Verfahren wird voraussichtlich zwei bis drei Jahre dauern.
In einem großen Zelt im Hof des Gerichts von Genua verlas Richter Paolo Lepri zum Prozessauftakt die Namen hunderter beteiligter Anwälte sowie der Zivilkläger. In der ersten Sitzung ging es nur um Formalitäten, die 59 Angeklagten nahmen nicht teil. Nach knapp dreistündiger Sitzung wurde der nächste Prozesstermin für den 12. September angesetzt.
Die fast 1200 Meter lange Morandi-Brücke war am 14. August 2018 während heftiger Regenfälle auf einer Länge von mehr als 200 Metern eingestürzt und hatte dutzende Fahrzeuge mit in die Tiefe gerissen. Das Unglück mit 43 Todesopfern warf auch ein Schlaglicht auf den maroden Zustand von Italiens Verkehrsinfrastruktur.
In dem Prozess geht es nun unter anderem um die Frage, ob die Brücke ausreichend gewartet und ihr Zustand ausreichend kontrolliert wurde. Den Angeklagten werden unter anderem fahrlässige Tötung, Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit und Rechnungsfälschung zur Last gelegt. Zu den Angeklagten zählen der frühere Autostrade-Chef Giovanni Castellucci und der frühere Spea-Chef Antonino Galata.
Opferanwalt Raffaele Caruso sagte der Nachrichtenagentur AFP, angesichts des Ausmaßes des damaligen Unglücks und der Zahl der Beschuldigten handele es sich um "einen der wichtigsten Prozesse in der jüngeren Geschichte Italiens".
Castelluccis Anwalt Giovanni Paolo Accinni vertritt die Auffassung, dass die Morandi-Brücke "wegen eines versteckten Baumangels" einstürzte. "Die Beschuldigten sind unschuldig, allen voran Herr Castellucci", sagte der Verteidiger AFP. Castelluccis Nachfolger Roberto Tomasi, der bereits seit 2015 bei Autostrade arbeitet, stützt diese Darstellung allerdings nicht.
Staatsanwalt Walter Cotugno hatte die Morandi-Brücke im Februar als "Bombe mit Zeitzünder" bezeichnet. "Man konnte das Ticken hören, aber man wusste nicht, wann sie explodieren wird." Aus Cotugnos Sicht waren sich die Managements des Autobahnbetreibers und des Bauunternehmens dieses Risikos durchaus bewusst. Sie hätten sich aber gegen notwendige Arbeiten an der Brücke gesträubt, um den Aktionären "die Dividenden zu sichern".
Autostrade gehörte damals der Unternehmensgruppe Altantia, die von der Benetton-Familie kontrolliert wird. Auf Druck von Politik und Öffentlichkeit überließ die Unternehmerfamilie im Mai ihren Anteil dem Staat.
Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft waren zwischen der Fertigstellung der Brücke 1967 und ihrem Einsturz 51 Jahre später "nicht die kleinsten Instandhaltungsarbeiten an den Streben des Pfeilers Nummer neun" vorgenommen worden.
Die Unternehmen selbst sind einem Prozess durch eine außergerichtliche Einigung entgangen, wonach sie dem Staat wegen des Unglücks 29 Millionen Euro zahlen müssen. Mehr als 60 Millionen Euro zahlte der Autobahnbetreiber Autostrade an die Familien der Opfer aus, nur zwei Opferfamilien akzeptierten diese Vereinbarung nicht. "Das Leben meines Sohnes hat keinen Preis, ich will einen echten Prozess", erklärte Roberto Battiloro, der seinen 29-jährigen Sohn Giovanni bei dem Brückeneinsturz verloren hatte.
Die Morandi-Brücke hatte dutzende Bahngleise sowie ein Gewerbegebiet mit Gebäuden und Fabriken überspannt. Zum Unglückszeitpunkt liefen Wartungsarbeiten an dem Bauwerk. Die Ingenieurswebsite "ingegneri.info" nannte das Unglück kurz danach eine "vorhersehbare Tragödie", da es immer schon "strukturelle Zweifel" am Bau des Ingenieurs Riccardo Morandi gegeben habe.
Schon 2009 war über einen Abriss nachgedacht worden, die Brücke war aber zu wichtig für den Autoverkehr. Sie gehörte zur sogenannten Blumenautobahn A10, einer auch von zahlreichen Touristen genutzten wichtigen Verkehrsachse an der italienischen Riviera. Jährlich fuhren 25 Millionen Autos über die Morandi-Brücke.
S.Pimentel--PC