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Kritik, Zustimmung und Zurückhaltung: Uneinigkeit über IStGH-Haftbefehl gegen Netanjahu
Der vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) erlassene Haftbefehl gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu stößt bei westlichen Regierungen auf ein geteiltes Echo. Während der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban ankündigte, als Zeichen des Protests gegen den Haftbefehl seinen israelischen Amtskollegen einzuladen, erklärte der irische Premierminister Simon Harris, Netanjahu würde im Falle einer Einreise "definitiv" verhaftet werden. Die Bundesregierung äußerte sich zurückhaltend.
Deutschland werde die "innerstaatlichen Schritte" in Bezug auf den Haftbefehl prüfen, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Freitag. Die Bundesregierung sei "einer der größten Unterstützer des IStGH. Diese Haltung ist auch Ergebnis der deutschen Geschichte", fügte er hinzu. Gleichzeitig sei "Konsequenz der deutschen Geschichte, dass uns einzigartige Beziehungen und eine große Verantwortung mit Israel verbinden".
"In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns", sagte der Regierungssprecher anschließend vor Journalisten in Berlin. Es falle ihm jedoch schwer, sich vorzustellen, "dass auf dieser Grundlage Verhaftungen in Deutschland durchgeführt werden".
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte zuvor auf die "Unabhängigkeit der Justiz" verwiesen. Die Bundesregierung prüfe derzeit, "was das für die Umsetzung in Deutschland genau bedeutet", sagte sie in der ARD. Baerbock verwies auch auf die Äußerung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, der die Mitgliedsländer am Donnerstag dazu aufgerufen hatte, den Haftbefehl gegen Netanjahu und andere Verantwortliche zu achten.
Der IStGH hatte vor dem Hintergrund des Krieges im Gazastreifen am Donnerstag Haftbefehle gegen Netanjahu, Israels ehemaligen Verteidigungsminister Joav Gallant sowie Hamas-Militärchef Mohammed Deif erlassen. Ihnen würden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vorgeworfen, teilte das Gericht mit. Nach Angaben der israelischen Armee wurde Deif am 13. Juli bei einem Luftangriff im südlichen Gazastreifen getötet. Die Hamas dementiert Deifs Tod jedoch.
Der ungarische Regierungschef machte deutlich, was er von dem Haftbefehl halte: "Wir haben keine andere Wahl, als uns der Entscheidung zu widersetzen", sagte im staatlichen Rundfunk. "Im Laufe des heutigen Tages werde ich den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu zu einem Besuch nach Ungarn einladen", fügte Orban hinzu, dessen Land Vertragsstaat des dem IStGH zugrunde liegenden Rom-Statuts ist. Dabei werde er Netanjahu "garantieren", dass das IStGH-Urteil "in Ungarn keine Auswirkung haben wird und dass wir uns nicht daran halten werden".
Netanjahu bedankte sich bei Orban für die "moralische Klarheit", die sein ungarischer Verbündeter gezeigt habe. "Angesichts der schändlichen Schwäche derer, die die empörende Entscheidung gegen das Selbstverteidigungsrechts des israelischen Staates unterstützen", stehe Ungarn an der Seite von "Gerechtigkeit und Wahrheit".
Ungarn gilt zusammen mit Tschechien und Österreich in der EU als stärkster Unterstützer Israels, noch vor Deutschland.
Ganz anders Irland: Sollte Netanjahu die Inselrepublik besuchen, würde er sicher verhaftet werden, sagte Regierungschef Harris. "Wir unterstützen internationale Gerichte und führen ihre Haftbefehle aus", machte der Ire deutlich.
Auch Spanien erklärte, es respektiere die Entscheidung des IStGH und werde "seine Verpflichtungen im Einklang mit dem (...) internationalen Gesetz erfüllen". Spanien, Irland, Norwegen und Slowenien haben einen palästinensischen Staat anerkannt und gelten als eher Israel-kritisch. In Bezug auf den Haftbefehl erklärte Norwegen wie auch Schweden, es unterstützte die Arbeit des IStGH.
Frankreich äußerte sich zurückhaltend. Die Regierung habe die Entscheidung des Haager Gerichts zur Kenntnis genommen, teilte das Außenministerium mit. Paris unterstütze die internationale Justiz seit Langem und bekenne sich zu der "unabhängigen Arbeit des Gerichts".
Großbritannien teilte mit, "es gibt ein klares gesetzliches Verfahren, das befolgt werden muss. Die Regierung hat immer klar gemacht, dass sie ihren gesetzlichen Verpflichtungen nach kommt", erklärte ein Sprecher der Londoner Labour-Regierung.
Deutliche Worte der Unterstützung für Netanjahu und Gallant kamen vom wichtigsten Verbündeten USA. Präsident Joe Biden erklärte, "die Ausstellung von Haftbefehlen durch den IStGH gegen israelische Führer ist empörend". Es gebe "keine Gleichwertigkeit" zwischen Israel und der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas.
Der IStGH hat keine eigene Polizei, um seine Haftbefehle durchzusetzen, und ist deshalb auf die Kooperation der 124 Mitgliedstaaten angewiesen. Weder Israel noch die USA sind Mitglied des IStGH.
Israels Erzfeind Iran begrüßte die IStGH-Entscheidung. Der Haftbefehl gegen Netanjahu und Gallant bedeute "das Ende und den politischen Tod des zionistischen Regimes", sagte der Chef der Revolutionsgarden, Hossein Salami, bei einer im Staatsfernsehen übertragenen Ansprache. Israel befinde sich in der Welt "in absoluter politischer Isolation", seine Regierungsmitglieder könnten "nicht mehr in andere Länder reisen".
Der Krieg im Gazastreifen wurde am 7. Oktober 2023 durch den Großangriff der Hamas auf Israel ausgelöst, bei dem nach israelischen Angaben 1206 Menschen getötet und 251 Menschen als Geiseln genommen worden waren. Israel geht seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde, die nicht unabhängig überprüft werden können, mehr als 44.000 Menschen getötet.
F.Ferraz--PC