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Mehr als 150 Festnahmen bei gewaltsamen Protesten in mehreren britischen Städten
In Großbritannien haben sich die Proteste rechtsradikaler Gruppen infolge eines tödlichen Messerangriffs auf Kinder in zahlreichen Städten am Wochenende zu gewaltsamen Ausschreitungen ausgeweitet. Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, wurden seit Samstag landesweit mehr als 150 Menschen festgenommen. Unter anderem in Liverpool, Manchester, Middlesbrough, Bristol und Belfast kam es zu Gewaltausbrüchen. Premierminister Keir Starmer sprach von "rechtsradikalem Rowdytum" und drohte den Randalierern mit rechtlichen Konsequenzen.
Die Auseinandersetzungen fanden am Sonntag am bereits fünften Tag in Folge statt. Wie auf von der Rundfunkanstalt BBC übertragenen Aufnahmen zu sehen war, warfen im mittelenglischen Rotherham maskierte Demonstranten die Fensterscheiben eines Hotels ein, in dem zuvor Asylbewerber untergebracht worden waren. Laut der örtlichen Polizei wurden zehn Polizisten im Einsatz verletzt.
In der nordostenglischen Großstadt Middlesbrough versammelten sich hunderte Menschen gegenüber der Bereitschaftspolizei. Einige von ihnen bewarfen die Polizisten mit Ziegelsteinen, Dosen und Töpfen. Die Kamera eines AFP-Teams wurde zerstört. In Aldershot südwestlich von London versammelten sich nach Angaben eines AFP-Fotografen dutzende Menschen friedlich zu einer Demonstration gegen Asylbewerber.
Am Samstag war es unter anderem in Liverpool, Hull, Leeds und im nordirischen Belfast zu Protesten gekommen. In einigen Fällen warfen Demonstranten Ziegelsteine, Flaschen und Leuchtraketen auf die Polizei - wobei mehrere Beamte verletzt wurden. Unter den Rufen islamfeindlicher Parolen plünderten Randalierer Läden und brannten diese nieder. Immer wieder kam es auch zu Zusammenstößen mit Teilnehmern von Gegendemonstrationen.
Hintergrund der Gewaltausbrüche ist der Messerangriff eines 17-Jährigen in der nahe Liverpool gelegenen Küstenstadt Southport, bei dem am vergangenen Montag drei Kinder getötet und acht weitere sowie zwei Erwachsene verletzt wurden. Dabei drang der Verdächtige in ein Gebäude ein, in dem gerade ein Ferientanzkurs für Kinder zur Musik von US-Star Taylor Swift stattfand.
Der Angriff erschütterte Großbritannien. Im Internet kursierten zudem schnell Spekulationen und Falschinformationen über den Hintergrund des Verdächtigen, dessen Familie der BBC zufolge aus Ruanda stammt.
Bereits unmittelbar nach der Tat randalierten in Southport rund hundert Rechtsextreme. Sie griffen unter anderem eine Moschee an. Später kam es in weiteren Städten zu Ausschreitungen. Nach teils gewaltsamen Protesten am Amtssitz von Premierminister Starmer in der Londoner Downing Street wurden zahlreiche Menschen festgenommen. Hunderte Moscheen in Großbritannien verschärften ihre Sicherheitsmaßnahmen.
Die Polizei machte Anhänger der sogenannten English Defence League, einer vor 15 Jahren gegründeten Anti-Islam-Organisation mit Verbindungen in die Hooligan-Szene, für die Gewalt verantwortlich. Unter dem Motto "Genug ist genug" wurde auf rechtsextremen Kanälen in Onlinemedien für die Kundgebungen geworben. Bei den Veranstaltungen selbst schwenkten Menschen die britische und englische Flagge und skandierten Slogans wie "Stoppt die Boote" - eine Anspielung auf Migranten, die über den Ärmelkanal nach Großbritannien kommen.
In zahlreichen Städten organisierten Menschen antifaschistische Gegenkundgebungen. In Leeds zogen die Demonstranten etwa mit Rufen wie "Nazi-Abschaum raus aus unseren Straßen" durch die Stadt.
Am Sonntag veröffentlichten die Vertreter mehrerer Religionsgemeinschaften aus Liverpool eine gemeinsame Erklärung, in der sie zu Ruhe und zur Einheit aufriefen.
Es handelt sich um die schlimmsten Ausschreitungen in Großbritannien seit Protesten im Jahr 2011, nachdem der schwarze Familienvater Mark Duggan im Norden Londons von der Polizei erschossen worden war. "Wir hatten schon früher Unruhen und Zusammenstöße dieser Art, aber sie waren auf bestimmte Gegenden des Landes beschränkt", sagte Tiffany Lynch vom Polizeiverband für England und Wales der BBC.
Die britische Regierung erklärte, der Polizei "alle erforderlichen Mittel" zur Verfügung zu stellen. Das ganze Justizsystem sei bereit, "so schnell wie möglich Verurteilungen auszusprechen", sagte Justizministerin Shabana Mahmood. Die für die Polizei zuständige Ministerin, Diana Johnson, sagte am Sonntag dem Sender BBC News, die Ausschreitungen würden "nicht toleriert", stattdessen werde es "Strafen und Konsequenzen" geben. Die Regierung werde alles tun, was nötig sei, um die Randalierer vor Gericht zu stellen.
Für Premierminister Starmer stellen die Ausschreitungen nur einen Monat nach seinem Amtsantritt die erste politische Krise dar - umso mehr, weil seiner Labour-Partei im Wahlkampf immer wieder vorgeworfen wurde, in Einwanderungsfragen zu lax zu sein.
Am Sonntag richtete Starmer sich in einer Ansprache an die Nation. "Ich versichere Ihnen, dass Sie es bereuen werden, wenn Sie sich an diesen Unruhen beteiligen. Egal, ob sie sich direkt daran beteiligen oder ob sie diese Aktion im Internet anheizen und dann selbst weglaufen", sagte Starmer. Es gebe "keinerlei Rechtfertigung" für dieses "rechtsradikale Rowdytum", die Täter würden "vor Gericht gestellt".
Die Opposition kritisierte die Labour-Regierung angesichts der Proteste. Im Onlinedienst X schrieb die konservative Ex-Innenministerin Priti Patel, die Regierung laufe Gefahr, "von den Ereignissen mitgerissen zu werden, anstatt sie unter Kontrolle zu halten". Die einwanderungsfeindliche Partei Reform UK warf Labour vor, "lasch gegenüber Kriminellen" zu sein.
P.Queiroz--PC