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Bergkarabach: Mindestens 170 Tote nach Explosion - Auswanderung geht weiter
Bei der Explosion eines Treibstofflagers in Bergkarabach sind nach Behördenangaben deutlich mehr Menschen gestorben als zunächst angenommen. Nach dem Vorfall seien die sterblichen Überreste von "mindestens 170 Menschen" gefunden worden, erklärte die Polizei der selbsternannten Republik am Freitag. Zuvor waren die Behörden von 68 Toten und rund 200 Verletzten ausgegangen. Unterdessen verließen weitere armenische Bewohner das Gebiet, das vollständig in aserbaidschanische Kontrolle übergehen soll.
Die Überreste der Opfer der Explosion sollen nach Angaben der Polizei zur Identifizierung nach Armenien geschickt werden. Die Zahl der Verletzten beläuft sich den Behörden zufolge inzwischen auf 349. An dem am Montagabend detonierten Treibstofflager hatten sich viele Menschen nach der aserbaidschanischen Militäroffensive gegen die pro-armenischen Kämpfer in Bergkarabach mit Treibstoff für ihre Flucht nach Armenien eingedeckt.
Die Auswanderung der armenischen Bewohner Bergkarabachs über die einzige Straßenverbindung nach Armenien ging indes am Freitag weiter. Die Nachrichtenagentur AFP beobachtete zahlreiche Flüchtlinge, die aus Bergkarabach kommend in der armenischen Grenzstadt Goris ankamen. Bis Freitag hatten nach Angaben der armenischen Regierung 88.780 Menschen Bergkarabach in Richtung Armenien verlassen. Das entspricht fast drei Vierteln der rund 120.000 ethnischen Armeniern, die in der Kaukasusregion lebten.
Die Bundesregierung pochte unterdessen erneut auf die Rechte der armenischen Bevölkerung Bergkarabachs. Es sei die Hoffnung Berlins, dass künftig auf dem Gebiet Bedingungen herrschten, unter denen "die Karabach-Armenier weiter in Frieden dort leben können", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts.
Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, es leben dort aber überwiegend ethnische Armenier. Die Region hatte sich 1991 nach einem international nicht anerkannten und von der aserbaidschanischen Minderheit boykottierten Referendum für unabhängig erklärt.
Seit dem Zerfall der Sowjetunion lieferten sich Aserbaidschan und Armenien zwei Kriege um die Region, zuletzt im Jahr 2020. Damals hatte das traditionell mit Armenien verbündete Russland nach sechswöchigen Kämpfen mit mehr als 6500 Toten ein Waffenstillstandsabkommen vermittelt, das Armenien zur Aufgabe großer Gebiete zwang.
Am 19. September startete Aserbaidschan dann eine großangelegte Militäroffensive in Bergkarabach. Bereits einen Tag später mussten sich die pro-armenischen Kämpfer in der Region geschlagen geben - ein bedeutender Sieg für den aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew.
Das lange mit Armenien verbündete Russland gab am Freitag bekannt, dass es mit Aserbaidschan über die Zukunft der seit 2020 aktiven russischen Friedensmission in Bergkarabach entscheiden werde. "Da sich die Mission nun auf aserbaidschanischem Territorium befindet, wird dieser Punkt mit der aserbaidschanischen Seite diskutiert werden", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow auf die Frage eines Journalisten.
Die russischen Kräfte hatten sich der aserbaidschanischen Offensive am 19. September nicht entgegengestellt - was die armenischen Separatisten als Verrat betrachten.
Die EU rief Aserbaidschan auf, UN-Beobachter nach Bergkarabach zu lassen. Eine entsprechende Mission müsse in den kommenden Tagen erfolgen, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel. Die Menschen dort bräuchten dringend humanitäre Hilfe.
Armenische Gruppierung riefen derweil für Sonntag im Brüsseler Europaviertel zu einer Demonstration gegen den aserbaidschanischen Militäreinsatz in Bergkarabach auf. Erklärtes Ziel der Veranstaltung ist es, die EU zu einer "internationalen und humanitären Präsenz in Armenien" zu drängen und Sanktionen gegen Aserbaidschan zu fordern.
G.M.Castelo--PC